Putnam/Müller –
Linguistische Blödeleien über den Solipsismus
Gehirn im Tank oder doch Solipsismus?
Ein deutscher Vielosoph namens Olaf L. Müller hat unter dem Titel
„Wirklichkeit
ohne Illusionen oder Der Abschied vom Skeptizismus“ einen Artikel unter die Leute gebracht, in dem er
unter Zuhilfenahme linguistisch-philosophischer Einfälle eines Amerikaners namens Hilary Putnam und einer
Rekonstruktion durch einen Schotten namens Crispin Wright im Prinzip den Solipsismus (ohne diesen
namentlich zu erwähnen) zu widerlegen vorgibt. Er bedient sich hierzu eines Modells eines mit einem
Simulationscomputer verbundenen Gehirns in einem Tank. Dieser Artikel besteht aus – nicht justiziabel
ausgedrückt – Absurditäten en masse, sodass er eigentlich weniger als individuelles Ärgernis, denn als
irrlichternde Realsatire auf die Verkommenheit des Wissenschaftsbetriebes zu dienen vermag. Eine
ausführliche Kritik dieses Elaborats drängt sich daher auf. Was den Solipsismus betrifft, sei in aller
Bescheidenheit auf den Artikel „Solipsismus – Zufall der Geburt – Weltgeist“ unter der Rubrik
„Philosophie“ auf dieser Webseite verwiesen.
Das von Putnam/Wright/Müller (nachfolgend „Trio“ genannt) konstruierte Modell besagt, dass die
Nervenstränge eines isolierten, in einem Tank mit Nährlösung schwimmenden Gehirns nicht mehr mit dem
Körper, sondern vollständig mit einem Computer verbunden sind, dessen Programm mit allen Einzelheiten aus
dem Leben des seines Körpers verlustig gegangenen Menschen gefüttert wurde, nun alle an das Gehirn
gerichteten Nervenimpulse simuliert und die vom Gehirn empfangenen realitätsgerecht verarbeitet, sodass
der arme Tropf, pardon das dem Gehirn entspringende Bewusstsein keinen Unterschied zur bisherigen Vita
konstatiert und alle Sinneseindrücke von ihrem jeweiligen Original in besseren Zeiten nicht zu
unterscheiden sind.
Philosophischer Hintergrund dieses Szenarios ist der seit Jahrhunderten diskutierte Solipsismus. Es ist
nur eine Allegorie für metaphysische Ignoranten, um sich das reine Ich in einer rein virtuellen Welt zu
veranschaulichen, es ersetzt den unergründlichen Dämon durch einen Simulationscomputer, der immer noch
Teil der realen Welt ist, insofern also dem Solipsismus widerspricht. Müller vermeidet den Begriff
„Solipsismus“ wie die Pest, nimmt aber inhaltlich darauf Bezug, wenn er schreibt:
„Wie, wenn es die Erde gar nicht gäbe? Dann wären Sie das einzige denkende Wesen überhaupt! …
Wir können nicht ausschließen, dass wir stets träumen oder andauernd von einem bösen Dämon getäuscht
werden“.
„Solipsismus“ – ein in arrivierten Philosophenkreisen „expressis non gratis“ oder so ähnlich?
Schon zu Beginn seines Artikels überschlägt sich Müller fast, um die Wichtigkeit der Putnam‘schen und in
dessen Schatten seiner eigenen Einfälle zu unterstreichen:
„… hat er einen raffinierten, verwirrenden und völlig neuartigen Beweis gefunden, um den sich die Fachwelt
seit einem Vierteljahrhundert streitet. … Hätte Putnam recht, so wäre dies eine philosophische Sensation
historischen Ausmaßes …“,
an der Vielosoph Müller natürlich nur zu gerne als Protagonist teilhaben möchte. Darunter macht man es ja
nicht. Ruhm, wem Ruhm gebührt. Sollte es diesem Artikel gelingen, das Trio Putnam/Wright/Müller zu
entzaubern, wäre das allerdings bedauernswerterweise k„eine philosophische Sensation historischen
Ausmaßes“.
„Beweis“führung:
„Putnam braucht zwei sprachphilosophische Voraussetzungen, um seinen Beweis ins Rollen zu bringen. Die
erste Voraussetzung ist eine Binsenweisheit:
(1) In meiner Sprache bezeichnet das Wort »Tiger« die Tiger.“
Müller steht nicht an, die Banalität des Satzes einzuräumen:
„Um zu wissen, dass Satz (1) zutreffen muss, braucht man keine Ahnung von Tigern zu haben und benötigt
keinerlei empirisches Wissen über die Welt. Um der Wahrheit des Satzes sicher zu sein, braucht man
lediglich eine besonders banale Information über die eigene Sprache. Man muss nur wissen, dass das Wort
»Tiger« zur eigenen Sprache dazugehört“.
Mal abgesehen vom contradictio in adjecto „empirisches Wissen“ – warum dann aber nicht gleich zum Beispiel
so:
„(1) In meiner Sprache existiert das Wort »Tiger«.“
Das hat einen speziellen Grund, dazu gleich. Schon hier beschleicht einen jedenfalls das Gefühl, dass der
Tiger forsch springt, aber als Bettvorleger landen könnte.
Nächster Schritt der „Beweis“führung:
„Putnams zweite Voraussetzung läuft so:
(2) In der Sprache eines ewigen Gehirns im Tank bezeichnet das Wort »Tiger« nicht die Tiger.
Warum nicht die Tiger? Laut Annahme hat ein ewiges Gehirn im Tank keinerlei kausalen Kontakt zu echten
Tigern. Da ginge es nicht mit rechten Dingen zu, wenn das Gehirn die Tiger trotzdem bezeichnen könnte. …
»externalistische« … Bedingung für Erfolg beim Bezeichnen: Ohne externe, kausale Verbindungen zu
irgendwelchen Tigern kein Erfolg beim Bezeichnen mithilfe des Wortes »Tiger«.“
Der linguistische Humbug der Behauptung unter (2) ist im von Müller in seiner Begründung verwendeten
Begriff „Erfolg“ begründet. Seit wann schert sich der Mensch um unfallfreien „Erfolg beim Bezeichnen
mithilfe … [eines] Wortes“? Nicht jeder ist Legastheniker oder Lalopath. Müller meint offensichtlich was
anderes: Eine „externe, kausale Verbindung“ zum bezeichneten Gegenstand muss her, der soll demnach also
real existieren. Dann sei Sprache von „Erfolg“ gekrönt. Und da der Solipsismus nun einmal keine
extern-real-kausal-existierende Welt verkörpert, scheitert dort die Sprache am
extern-real-kausal-existierenden Tiger. Seltsam nur, dass Müller sich zuvor aber – zur Erinnerung nochmals
zitiert – zu folgendem Statement hinreißen ließ:
„… braucht man keine Ahnung von Tigern zu haben und benötigt keinerlei empirisches Wissen über die
Welt … “,
also wohl auch kein Wissen über die „empirische“ Existenz der Tiger. Müller schert sich um diesen
Widerspruch innerhalb weniger Absätze mitnichten – es gehört wohl zum Handwerkszeug eines Vielosophen, den
Leser für dämlich bzw. vergesslich zu halten.
Nun ist es an der Zeit, mal autoritär mit einigen Klarstellungen dazwischenzuhauen:
Sprache repräsentiert die Gedanken bzw. Vorstellungen (Semantik). Ein Wort (wie etwa „Tiger“) stellt also
eine gesellschaftliche Bezeichnungs-Konvention dar, irgendeinen noch nicht näher bestimmten gedanklichen
Inhalt oder Gegenstand zu repräsentieren. Man stammelt ja schließlich nicht nur irgendwelche mal gehörte
oder selbst erfundene Wörter herunter, sondern verbindet damit eine Bedeutung. Auf der abstrakten Ebene
der Bezeichnung eines Gegenstandes muss man von diesem nichts Näheres wissen, es genügt ein Vorstellung.
Insofern ist Müller beizupflichten, wenn er es denn mit dem sich selbst widersprechenden „… keinerlei
empirisches Wissen …“ so gemeint haben sollte. Das sprachliche Signum ist zu trennen vom Begriff der
bezeichneten Sache und von der Wahrheit von Urteilen. Es ist nicht einmal auf die dingliche Existenz des
so bezeichneten Gegenstandes angewiesen (vgl. so realitätstrunkene Begriffe wie „Gott“, „Teufel“,
„Geister“, „Magie“, „Auferstehung“ etc.). Ein irgendwie bezeichneter Gegenstand muss also nicht
notwendigerweise auch real existieren, die mit ihm verbundene Bedeutung könnte ja auch aus
propagandistischen bzw. egoistischen Gründen erfunden oder schlicht halluziniert sein, die biblischen
Kolpoteure lassen grüßen. Müsste man für alle Dinge, über die man zu reden oder schreiben gedenkt, erst
den Existenzbeweis antreten, sollte man besser die Sprache radikal ausmisten oder sie gleich ganz bleiben
lassen.
Wer zum Thema Näheres in Erfahrung bringen möchte, dem sei der Artikel „Hegels Wissenschaft der Logik“, Seite 15 ff.
empfohlen.
Das Urteil darüber, ob eine Sache real ist oder nur der Phantasie entspringt, wird nicht auf der Ebene der
Sprache, sondern auf derjenigen der Überprüfung der Realität per Empirie plus Denken bzw. Wissenschaft
gefällt, wobei dies übrigens durchaus etwas anderes ist als „empirisches Wissen“. Mit linguistischen – auf
der Ebene der sprachlichen Bezeichnung verharrenden – Tricks lässt sich allenfalls für das – nennen wir es
einmal höflich: geneigte – Publikum solcher Jahrmarktzauber veranstalten.
Jetzt ist übrigens auch das Rätsel gelöst, warum das Trio Wert legte auf die Formulierung
„(1) In meiner Sprache bezeichnet das Wort »Tiger« die Tiger“,
anstatt sich mit dem bescheideneren
„(1) In meiner Sprache existiert das Wort »Tiger«“
zu begnügen. Dann wären nämlich „die Tiger“, auf die das Trio so große Stücke hält, weil man sie sich ja
für die nachfolgende Beweisführung als real existente außerhalb des Tanks zu reservieren gedenkt, irgendwo
im sprachlichen Nirwana verschwunden.
Fazit: (2) In der Sprache eines ewigen Gehirns im Tank bezeichnet „das Wort »Tiger«“ schon auch die Tiger.
Jedoch diejenigen Tiger, die im Gehirn im Tank ihren nichtexistentiellen Spuk treiben. Was sollte „das
Wort »Tiger«“ auch sonst bezeichnen? Denn irgendwas bezeichnet es doch, dies wird ja nicht einmal vom Trio
in Abrede gestellt. Und „die Tiger“ außerhalb des Tanks, sofern es die und die externe Welt gleich mit
dazu überhaupt geben sollte, können in einer solipsistischen Welt jedenfalls nicht gemeint sein, die kennt
das Gehirn ja nicht.
Die Lobhudeleien Müller‘s über Putnam wollen nicht enden:
„Meisterhaft beherrscht er die philosophische Kunst, gerade nur soviel zu sagen wie unbedingt
nötig.
…
Nun beginnt die sensationell schnelle logische Arbeit. Aus den Voraussetzungen (1) und (2) ergibt sich
zwingend:
(3) Meine Sprache ist von der Sprache eines ewigen Gehirns im Tank verschieden.“
Ist sie nicht. Das wiederum ist die „sensationell schnelle logische Arbeit“, die aus den obigen
Klarstellungen „zwingend“ resultiert. Die mit der Sprache verbundenen Vorstellungen sind dieselben.
Der Existenzbeweis oder gar die wissenschaftliche Erfassung des Gegenstandes liegen außerhalb der
sprachlichen Bezeichnung. Der „sensationell schnelle logische“, nicht zu vergessen „meisterhafte“ Schluss,
der auf einer unsinnigen Annahme beruht, ist halt nicht besser als sein neben der Sache liegender
Ausgangspunkt.
Wer nun wirklich dem Trio Putnam/Wright/Müller trotz aller Sprüche, Widersprüche und sonstiger Unbillen
bis hierhin Folge geleistet haben sollte, wäre gut beraten, sich zu fragen, wie man denn nun wissen kann,
dass „meine Sprache“ nicht ganz zufälligerweise die „Sprache eines ewigen Gehirns im Tank“ ist.“ Denn wäre
mein Gehirn im Tank, wie könnte es „extern“ überprüfen, welche Sprache es spricht und ob es die Tiger auch
wirklich gibt oder ob sie nur in meiner Sprache als sozusagen intern-irreal-nichtkausale Ausgeburten
meiner Phantasie vorkommen? Mit Logik hat es überhaupt nichts zu tun, sondern eher mit kognitiver
Scharlatanerie, wenn das Trio mir nichts, dir nichts unterstellt, die tankexterne Existenz meines Gehirns
und meiner Sprache sei über jeden Zweifel erhaben, nur um den Anschein der Stringenz seiner Beweisführung
zu wahren.
Das Trio bewegt sich im Zirkel und kann ihm selbst mit seinen linguistischen und scheinlogischen
Verrenkungen notwendigerweise nicht entrinnen. Dieses Dilemma wurde bereits grundsätzlich im Artikel
„Solipsismus – Zufall der Geburt – Weltgeist“, Abschnitt „Widerlegung des Solipsismus“, auf dieser
Webseite thematisiert. Viel Erhellendes ist dort aber nicht zu finden, das nur zur Warnung.
Das unvermeidliche dicke Ende der Konklusion:
„Und da sind wir schon am Ziel. Aus (3) folgt, und zwar abermals zwingend:
(4) Ich bin nicht seit jeher ein Gehirn im Tank.“ Kampf gegen die Einwände:
Klappe zu, Affe tot? Mitnichten. Müller ist nun in seinem Element und bestrebt, sich zwecks eigenen
Meriten von Putnam zu emanzipieren. Der Arme war doch glatt hin- und hergerissen zwischen seinem
Unverständnis des Putnam‘schen Beweises und seines Verdachts eines Taschenspielertricks. Das sagt ein
Professor ordinarius für Philosophie nach der Rezeption einiger kurzatmiger linguistischer Floskeln.
Respekt! Eine solche Verunsicherung schreit doch nach einer Therapie.
„So habe ich mich entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen. Mithilfe der Deutschen
Forschungsgemeinschaft (DFG) setzte ich im Herbst 1996 ein langjähriges Forschungsprojekt in Gang, in
dessen Verlauf ich mit …“ – nun werden sage und schreibe 8 Personen in Deutschland, USA und Mexiko
namentlich genannt – „… kooperierte. Neben der Zusammenarbeit mit Fachkollegen habe ich in meinen
Lehrveranstaltungen die unverbildeten Intuitionen anfangender und den Scharfsinn fortgeschrittener
Studierender anzuzapfen versucht …“.
Na, werter Ordinarius Müller in Berlin, wieviel Kohle hamse denn für dieses „langjährige
Forschungsprojekt“ vom Steuerzahler abgegriffen und aus dem Fenster geworfen, um sich in Fachkreisen
wichtig zu machen?
Dass für diesen gequirlten Quatsch überhaupt Forschungsgelder verbraten werden, ist der eigentliche
Skandal. Er zeigt, wie der Wissenschaftsbetrieb auf den Hund gekommen ist, und das nicht erst seit dem
Kotau vor linksgrünversifftem Genderismus und CO₂-Lüge.
Müller präsentiert nun die Früchte des „langjährigen Forschungsprojekts“:
„Putnams Beweisidee ist völlig in Ordnung, ja sogar genial. Alle Makel des Beweises können ausgebügelt
werden. So ist es mir gelungen, insgesamt drei wasserdichte Fassungen des Beweises auszuarbeiten, die sich
gegen alle mir bekannten Einwände verteidigen lassen.
Zwei dieser Einwände will ich jetzt vorführen und in aller Kürze entkräften. Laut erstem Einwand ist es
misslich, den Beweis ausgerechnet mit dem Wort »Tiger« zu führen: Denn was wird aus dem schönen
Gedankengang, wenn es zum Beispiel keine Tiger gibt? Dann könnte der Beweis scheitern, weil sich meine
Sprache dann doch nicht von der eines Gehirns im Tank zu unterscheiden braucht – wenn nämlich das Wort
»Tiger« weder hier noch dort irgendetwas bezeichnen würde.“
Also jetzt mal langsam.
Wenn es keine Tiger gäbe, dann könnte das zwei Gründe haben:
Entweder sind „Tiger“ so etwas wie hochdeutsche Wolpertinger, bekanntlich eine Bezeichnung für ein
überwiegend in bayerischen Gefielden anzutreffendes Fabelwesen, was aber nach hiesigem Sprachverständnis
eher auszuschließen ist.
Oder wir sind doch ein Gehirn im Tank bzw. im Solipsismus und alle unsere Wörter für Gegenstände beziehen
sich auf Phantasiegebilde. Das wäre als Voraussetzung für die Müller‘sche Beweisführung aber nicht so
vorteilhaft. Dann könnte er gleich einpacken.
Wie auch immer, die Müller‘sche These, wenn es denn keine Tiger gäbe, würde „das Wort »Tiger« weder hier
noch dort irgendetwas bezeichnen“, entbehrt nicht einer gewissen Tragikomik: Wer sich nicht sicher ist, ob
es Tiger gibt, sich dieses Wortes in seiner Argumentation ohne Skrupel bedient, um dann treuherzig zu
versichern, im Fall der Nichtexistenz der Tiger würde dieses Wort nichts bezeichnen, der muss sich die
Frage gefallen lassen, wovon er denn redet. „Wat?“ „Tiger.“ „Wie bitte?“ „Tiger.“ „Wat is‘n dat?“
Nun kommt Müller der rettende Einfall: man vertausche „Tiger“ mit „Gehirn“:
„Es ist sicherer, in dem Beweis anstelle von »Tiger« überall das Wort »Gehirn« zu verwenden. Was aber,
wenn es keine Gehirne gibt? Einfach: Wenn es keine Gehirne gibt, sind wir ganz sicher kein Gehirn im Tank.
Putnams Resultat (4) bleibt auch dann unangefochten.“
Oh Herr, lass Hirn regnen. Und nimmer Müller den Schirm weg!
Soll heißen: Gäbe es keine Gehirne, gäbe es insbesondere kein Müller‘sches Gehirn und keine Müller‘schen
Artikel. Nun, der Verlust würde sich für die Welt in Grenzen halten.
Und nicht zu vergessen: Ohne Gehirne bliebe nur eine Alternative für das ganze Brimborium, dessen Zeugen
wir ständig sind: Solipsismus. Also das, was Müller ständig vergeblich zu widerlegen versucht, auch wenn
er diesen Begriff meidet wie die Pest. Fast ist man geneigt, den Müller‘schen Artikel als Beweis für den
Solipsismus anzuerkennen, denn als Ausgeburt eines real existierenden Gehirns ist dieser schwer
vorstellbar, solange man den Glauben an die Vernunft der Menschheit nicht vollends verloren haben sollte.
Nun also der zweite Einwand:
„Der zweite Einwand gegen Putnams Beweis besagt, dass der erhoffte Beweis in keiner denkbaren Fassung
stimmen kann. Denn es liegt klar zutage, dass ein eingetanktes Gehirn den Beweis (in jeder beliebigen
Fassung) wortwörtlich wiederholen könnte. … Es käme, so wie wir, zu dem Schluss, nicht im Tank zu stecken
… Wer garantiert uns, dass wir nicht auch zu denen gehören, die von Putnams Beweis in die Irre geleitet
worden sind und sich in falscher Sicherheit wiegen?“
Müller scheint so sehr von der Richtigkeit des Putnam‘schen Beweises überzeugt zu sein, dass er sich gar
nicht vorzustellen vermag, die Gehirne seiner Leser – ob im Tank oder nicht – seien ob ihres Verstandes
gegen diesen verqueren Quatsch immun und schon deshalb nicht „in die Irre geleitet worden“. Geschenkt.
Er sucht also nach einem anderen Ausweg, um einen Irrtum der Gehirne im Tank auszuschließen, was
allerdings einigermaßen verwundert. War Müller in seiner Hybris der recht einsamen Meinung, der Beweis sei
„logisch“ und „zwingend“, sodass „ich“ kein Gehirn im Tank sein könne, dass es folglich sowas gar nicht
geben könne? Und trotzdem werden ihm nun die Gehirne im Tank und unser eigenes Schicksal und die „falsche
Sicherheit“, in der „wir“ uns im Tank wiegen könnten, zum Problem. So ist das mit verrückten Theorien. In
lichten Momenten erkennt der Verrückte, dass nur Verrückte an sie glauben.
Müller sagt sich, Angriff ist die beste Verteidigung, und behauptet nun forsch,
„… dass die Gehirne im Tank den Beweis tatsächlich mit Recht wiederholen können. Denn ihr Ergebnis »Ich
bin kein Gehirn im Tank« trifft vollkommen zu. Wie das? Wie kann ein Gehirn im Tank die Wahrheit treffen,
wenn es behauptet, gerade kein Gehirn im Tank zu sein? Einfach; wenn es sagt: »Ich bin kein Gehirn im
Tank«, dann meint es mit diesen Worten überhaupt nicht, kein Gehirn im Tank zu sein. Denn seine Sprache
funktioniert anders als unsere … Wenn das Gehirn im Tank »Tiger« … sagt, dann meint es damit gewisse
Konfigurationen aus Bits und Bytes im Simulationscomputer – Bit-Tiger … Genauso, wenn es »Gehirn« oder
»Tank« sagt. Nehmen wir also an, dass das eingetankte Gehirn mittels Putnams wunderbarem Beweis zu dem
Ergebnis kommt: »Ich bin kein Gehirn im Tank«. Dann behauptet es (übersetzt in unsere Sprache), dass es
kein Bit-Gehirn im Bit-Tank ist. Und damit hat es deshalb recht, weil es in der Tat kein Bit-Gehirn im
Bit-Tank ist, sondern (gleichsam eine Ebene höher und weniger schlimm) bloß ein Gehirn im Tank“.
Der Trick ist simpel:
Man versteige sich zu der Behauptung, Sprache könne unterschiedlich funktionieren, je nachdem, wer sie
verwende. Und damit ist nicht nur die Banalität unterschiedlicher Wortbedeutungen gemeint, wie zum
Beispiel für „Tank“: Flüssigkeitstank und Panzer. Mit dieser linguistischen Methode lassen sich Sprache
und Aussagen umlügen, gerade so wie es einem in den Kram passt, in der Tradition Ludwig Wittensteins
übrigens, dem angeblich meistzitierten Philosophen des 20. Jahrhunderts, da will diese Webseite nicht
hintanstehen:
„Mach diesen Versuch: Sag ,Hier ist es kalt' und meine ,Hier ist es warm'. Kannst Du es?“
(„Philosophische Untersuchungen“, 510)
Der ganz normale linguistisch-vielosophische Wahnsinn halt.
Konkret: Die Aussage »Ich bin kein Gehirn im Tank« bedarf keiner Interpretation und schon gar keiner
Übersetzung, ihre Bedeutung ist für jedes Gehirn die gleiche, ob im Tank oder außerhalb. Wenn das Gehirn
im Tank vom Simulationscomputer getäuscht wird und deshalb wie jedes Gehirn außerhalb des Tanks tickt und
glaubt, kein Gehirn im Tank zu sein, wie könnte es dann mit seinen Sprachkennzeichnungen "Konfigurationen
aus Bits und Bytes" meinen? Seine Sprache spiegelt die Vorstellungen seines Gehirns in gleicher Weise
wieder wie es die Sprache eines jeden anderen Gehirns tut. Würde es "Konfigurationen aus Bits und Bytes"
meinen, hätte es ja die Manipulation per Simulationscomputer durchschaut, was ihm aber aufgrund der
Simulation gar nicht möglich ist; und wenn es sie durchschauen würde, würde es sicherlich nicht sagen:
"Ich bin kein Gehirn im Tank"; dann würde es sich vielmehr für den hirnrissigen Putnam-Beweis herzlich
bedanken.
Und selbst wenn man dem linguistischen Trick Müllers auf den Leim gehen würde, wäre die verirrte
Müller‘sche Gleichsetzung („Genauso, wenn …“) von
„Tiger“ meint „Konfigurationen aus Bits und Bytes im Simulationscomputer“ bzw. „Bit-Tiger“
mit
„Gehirn“ meint „Bit-Gehirn“ oder „Tank“ meint „Bit-Tank“
bereits objektiv daneben, weil die Tiger eine Computersimulation darstellen, das Gehirn und der Tank aber
nicht. Von wegen „Bit-Gehirn“ und „Bit-Tank“, diese sind als vermeintliche Vorstellungen bei Verwendung
der Worte „Gehirn“ und „Tank“ allein Ausgeburten der Müller‘schen Phantasie. Und dieses (absichtsvolle?)
Quidproquo ist sicher nicht dem Müller‘schen Computer-Analphabetismus geschuldet. Schon deshalb ist das
rechthaberische Gefasel Müllers, die von ihm halluzinierte Übersetzung, das Gehirn im Tank sei „kein
Bit-Gehirn im Bit-Tank“, gehe schon in Ordnung, da es ja „bloß ein Gehirn im Tank“ sei, fehl am Platze.
Das gleiche gilt natürlich für die von Müller, der langsam am Durchdrehen ist, ersponnenen „Ebenen“, die
nun die höheren Weihen empfangen:
„So gesehen, liefe Putnams Beweis auf diese Einsicht hinaus: Jedermann – Sie oder ich genauso wie das
Gehirn im Tank – befindet sich exakt auf der Ebene, auf der er sich befindet; nicht etwa eine Ebene weiter
unten.
Sie finden das trivial?“
Ehrlich gesagt: Ja.
Nun wissen wir, wofür das „langjährige Forschungsprojekt“ gut war. Und wo wir uns befinden: nämlich dort,
wo wir uns befinden. Und nicht nur ungefähr, nein „exakt“. Endlich mal eine präzise Aussage eines
Vielosophen. Wenn das die Quintessenz eines internationalen Forschungsprojekts ist, dann sollte man das
schon glauben.
Müller will den Leser aber nicht ohne ein Grande Finale entlassen:
Putnams Beweis „führt uns vor Augen, dass die cartesischen Skeptiker einen grandiosen Fehler begehen,
wenn sie unser Wissen über die äußere Welt leugnen“.
Welches „Wissen über die äußere Welt“? Etwa das „Wissen“ aufgrund des grandios gescheiterten Putnam‘schen
Beweises? Oder das „Wissen“ darüber, dass sich „jedermann … befindet … exakt auf der Ebene, auf der er
sich befindet“? Es sei vermutet, dass sich „cartesische Skeptiker“ mit Wichtigerem auseinandersetzen. Und
wenn die eines nicht tun, dann ist es das, „die äußere Welt“ zu „leugnen“. Skeptizismus bedeutet, den
Zweifel zum Prinzip des Denkens zu erheben. Soweit sollte die humanistische Ausbildung eines Philosophen
schon gegangen sein, nicht wahr Müller? Wenn sich also ein „cartesischer Skeptiker … die äußere Welt“ zur
Brust nimmt, wird das kaum bei ihrer einseitigen Leugnung enden.
Und nun endlich Tusch - Vorhang auf - die Spannung ist unerträglich.
„Worin der grandiose Fehler besteht? Er besteht in dem verqueren Versuch, sich vorzustellen, dass wir
in ein und demselben Moment woanders stehen als dort, wo wir gerade stehen.“
Pffff. Das steht wirklich so da, Ehrenwort!
Ja wo stehen wir denn gerade???
War es nicht die Intention des Artikels, einen Beweis zu führen? Darüber wo wir nicht stehen: im Tank. Und
nun werden der Einfachheit halber nur noch Selbstverständlichkeiten und Tautologien zum Besten gegeben:
„Natürlich könnten wir woanders stehen als an unserem augenblicklichen Aufenthaltsort. (Wir könnten
beispielsweise alle nach Feuerland durchgebrannt sein). Aber selbst dann bliebe der Satz »Ich bin, wo ich
bin« wahr. Einerlei, ob ein Sprecher an die äußere Welt angeschlossen ist oder an einen
Simulationscomputer oder an einen simulierten Simulationscomputer“.
Konnten wir jetzt den kühnen Müller‘schen Geistesblitzen nicht komplett folgen: gleichzeitig „nach
Feuerland durchgebrannt“ und im Tank? Vielleicht haben wir da was übersehen.
Schlussfolgerungen:
Wer so etwas zu Papier bringt, dem geht es nicht um logische Schlüsse oder gar Wahrheit. Der unterstellt
erst mal, dass der Leser zu dämlich ist, seinen teilweise geschickt verpackten Trug und seine nicht gerade
geistreichen Trivialitäten aufzudecken.
Aber ein solcher Artikel kommt nicht von ungefähr. Wer jetzt nämlich meint, das hätte man alles auch
einfacher haben können, Müller hätte es schlicht bleiben lassen sollen, verkennt zweierlei:
Vielosophen wie Putnum und Müller möchten sich in Fachkreisen und in der Öffentlichkeit mit Publikationen
wichtig machen, obwohl sie gar nichts Erhellendes zu sagen haben. Dabei kommt es auf die vorprogrammierten
intellektuellen Pleiten, Pech und Pannen nicht an, die Kollegen und das naive Publikum sind auch nicht
besser. So winken Renommee, gut dotierte Posten, Nebeneinahmen aus Büchern und Vorträgen etc. Müller stand
nicht an, zwei Bücher zum Thema zu schreiben mit den wenig vielversprechenden Titeln „Hilary Putnam und
der Abschied vom Skeptizismus“ sowie „Metaphysik und semantische Stabilität“, die man nach Kenntnis seines
Artikels selbst in der Leihbücherei besser nur mit der Beißzange anfassen sollte.
Was den von Putnum und Müller angegriffenen Solipsismus betrifft: der wirkt wie ein rotes Tuch. Während
simpler Skeptizismus durchaus salonfähig ist, weil er ein Grundpfeiler des bürgerlichen
Wissenschaftspluralismus ist, stellt der Solipsismus die Realität der – bestimmten Herrschaftsprinzipien
unterworfenen – Welt in Frage. Das ist verdächtig und nicht hinzunehmen. Wo kämen wir hin, wenn eine
philosophische Theorie aufgrund ihres Irre-Machens die Bereitschaft zum devoten Mit-Machen im
gesellschaftlichen Zwangskorsett in Frage stellen würde. Allemal besser ist da schon die Parole: Wir
stehen, wo wir stehen, exakt. Da kann nichts schiefgehen.
Auf ein Wort, Müller: Wärnse halt mit dem Namen Fußballstürmer geworden, dann hättnse richtige Treffer
gelandet. So warns nur Eigentore.
Beruhigend zu wissen, dass in nicht mehr ferner Zeit unbrauchbare Akademiker zu Ackerdemikern umgeschult
werden dürften.
Ende Gelände ♦ Aus die Maus ♦ Schicht im Schacht ♦ Klappe zu - Affe tot
So long ♦ See You Later, Alligator - In A While, Crocodile ♦ Over And Out