eine für fast alle Schachprogramme unlösbare Studie
Menschenschach vs. Computerschach
„Mittlerweile, und ich kann das durch Partien belegen, spielen Computerschachprogramme
atemberaubend schönes und mitreißendes Schach. Gerade Programme wie Stockfish faszinieren durch
ihre Spielweise und bieten alles andere als langweiliges Großmeistergeschiebe. Ein
Paradigmenwechsel in Tiefe und Ästhetik des Schachspiels?“
(Joe Boden - Verfasser der ehemaligen Joe's Schachblog)
„Die Motoren heute spielen deutlich stärker, als es irgend ein Mensch (auch in Zukunft) schafft. Wer immer noch glaubt, Maschinen könnten kein edles Schach spielen, dem rate ich einen Abstecher in den Maschinenraum. Selbst im Blitzspiel zeigen hier moderne Engines feinste Schachkunst. Ich wage die Behauptung dass ein starkes Schachprogramm auf Blitzstufe besser spielt, als der menschliche Weltmeister auf Turnierstufe. Die Motoren (Engines) zeigen auch positionelle Perfektion! Das sogenannte Lavieren im Schach, können Engines meiner Meinung nach sogar noch besser. Manchmal sieht man, wie die Engine den König von der einen Ecke zur anderen bringt, und erst dann angreift. Kombinatorisch und im Endspiel (mit Endspieldatenbanken) sind die Engines sowieso eine Dimension für sich. Die Vollkommenheit des Schachs führt meines Erachtens nach daher nur noch über die Maschinen.“
(Eduard Nemeth, Betreiber dieser Webseite, am 6.11.2019 auf dem CSS Computerschach-Forum)
Tatsache ist, dass das derzeit beste Computerschachprogramm Stockfish etliche hundert ELO-Punkte mehr
auf dem Kasten hat, als der Schachweltmeister Carlsen (im Oktober 2019 2876 ELO). Die Berechnung
dieser ELO-Differenz ist umstritten. Auf jeden Fall handelt es sich um einen Klassenunterschied.
Und dabei darf man nicht vergessen, dass Carlsen derzeit deutlich über allen
anderen Schachgroßmeistern thront. Eine 400-ELO-Differenz würde beispielsweise rechnerisch nach der in
Wikipedia aufgeführten
Formel für die statistisch von einem Spieler in einem Wettkampf zu erzielenden Punkte bedeuten,
dass der bedauernswerte Schachweltmeister in einem Duell mit Stockfish über 10 Partien gerade mal
einen Punkt, also entweder 2 Remisen oder einen Sieg (sehr unglaubwürdig) ergattern würde.
Fazit: In Relation zu den heutigen besten Computerprogrammen bedeutet Menschenschach
Stümper gegen Patzer!
Die Rezeption von Menschen-Wettkampf-Schach ist reichlich anachronistisch – wohlgemerkt nicht die aktive Teilnahme daran. Die Fehleranzahl ist Legion und sprengt die Frustrationstoleranz. Wenn man etwa die WM-Kämpfe zwischen Carlsen und seinen Kontrahenten sowie die nebenherlaufenden Bewertungen von Computerschachprogrammen verfolgt, hat man zu oft das Gefühl, dass man sich für die menschliche Rasse fremdschämen muss - und das nicht nur bei den geradezu legendären Aussetzern Anands. Carlsens Fehler sind halt nicht ganz so evident. Sollte die Zukunft von Schachexperten nicht besser in der Aufbereitung und Kommentierung wirklich anspruchsvoller und einigermaßen fehlerfreier Schachpartien zwischen den Spitzenprogrammen liegen? So wie es etwa Matthew Sadler und Natasha Regan in ihrem Buch „Game Changer: AlphaZero's Groundbreaking Chess Strategies and the Promise of AI“ mit diversen Partien zwischen Stockfish und AlphaZero demonstrieren. Oder wie es Daniel King in 15 Videos über diese Partien auf YouTube vorexerziert.
Eine vielleicht weit hergeholte Parallele: Wenn man mit komplizierten Formeln hantieren muss, ist es vorzugswürdig, vertrauensvoll das anscheinend fehlerfreie Computer-Algebra-Programm Maxima zu verwenden, anstatt damit irgendwelche fehleranfällige Mathematiker zu betrauen. Sogar Mathematikbücher enthalten Irrtümer.
Ein ähnlich dickes Fell braucht man, wenn man sich insbesondere ältere Schachliteratur antut und diese parallel mit einem
Schachprogramm überprüft. Solche Schachanalysen gehen häufig an den wirklichen Stellungsproblemen
vorbei, wenn sie nicht zuvor rechnergestützt kontrolliert wurden. Alle humanen strategischen Überlegungen
sind in konkreten Stellungen schnell Makulatur, wenn ein Programm in extremer Rechentiefe eine bessere
Lösung findet, die sich nicht an Lehrbuch-Regeln hält. Schachprogramme haben wenig Sinn für strategische
Problemlösungen.
Engines
Stockfish ist eine kostenlos downloadbare quelloffene (open source) UCI-Schachengine. Die jeweils
aktuellsten und zumeist auch stärksten Versionen sind auf folgender Webseite erhältlich:
sich die Spielstärke in den Parametern reduzieren lässt – zum Beispiel Honey oder Wasp (Letztere zu finden auf Frank‘s Chess Page (→ Downloads → engines / tools);
mit der Änderung von Figurenwerten bzw. Suchparametern experimentiert werden kann (zum Beispiel Raubfisch oder Cfish);
auf Kosten einer Reduzierung der Spielstärke ein attackierender Spielstil implementiert wurde (zum Beispiel OpenTal);
unter Verwendung neuronaler Netze und nach Möglichkeit schneller Grafigkarten der Spielstil mehr auf langfristige Pläne ausgelegt ist, also „menschlicher“ erscheint (zum Beispiel Lc0 – gegebenenfalls in Verbindung mit dem Programm Nibbler.
Fast alle neueren Schachengines unterstützen Syzygy-Bases. Dies sind Endspiel-Tabellen für 3-7-Steine-Endspiele, die downloadbar sind (zum Beispiel hier). Für jede Figurenkonstellation existieren 2 Dateien: „WDL“ → *.rtbw und „DTZ“ → *.rtbz. Die „rtbw“-Datei ist für die Engine Suche unverzichtbar. Im Internet existiert auch eine Online-Version, die bis zu 7-Steine-Endspiele zu analysieren vermag.
GUIs
Eine UCI-Engine wie Stockfish ist natürlich auf ein Graphical-User-Interface (GUI) angewiesen, mit
dessen Hilfe man mit der Engine kommunizieren kann. Davon sind einige kostenlos im Internet
erhältlich, als da z.B. wären
Scid vs. PC, das seine Stärke als Datenbankprogramm hat; it ihm lassen sich natürlich alle PGN-Dateien, insbesondere aber auch die Partiensammlung Caïssabase mit mehr als 4 Millionen Partien im Scid-Format nutzen;
Aquarium, eine nur käuflich, jedoch preiswert zu erwerbende GUI, die umfangreiche Analysefunktionen enthält und extrem zum Experimentieren einlädt;
Lucas Chess ist schwerpunktmäßig eine Trainingssoftware, lädt aber mit unterschiedlichen Elo-Niveaus auch zum Spielen ein.
Engine-Partien
Hochwertige Engine-Partien finden sich im TCEC-Archiv. Wie diese heruntergeladen und vorteilhaft modifiziert werden können, wird hier beschrieben.
Notabene, da Themaverfehlung: Ein umfangreiches Angebot an Menschen-Partien findet sich bei pgnmentor.com, unterteilt nach Spielern, Eröffnungen und Turnieren. 365chess.com bietet mehr als 4 Millionen Partien und einen Eröffnungszugbaum an. Für einen Jahresbeitrag von 15 $ erhält man auf diese Daten unlimitierten Zugriff inklusive Eröffnungszugbaum von Spielern und Partiendownload.
Schachcomputer-Simulationen
Nostalgischen Gemüter, die mit virtuellen Schachcomputern spielen und experimentieren möchten, sei dieses Forum ans Herz gelegt. Herunterladen lassen sich die Schachcomputer-Simulationen auf der Webseite von Franz Huber unter dem Link „CB-Emu“.
Hinweis aufgrund leidvoller Erfahrung: Falls nach Start eines Schachcomputers nur ein leeres Fenster zu sehen sein sollte, könnte das Problem bei einem (veralteten) OpenGL-Treiber liegen, den die Emulation als Voreinstellung voraussetzt. Notfalls müssen mit dem downloadbaren Programm grepWin komplett alle 603 Zeilen
„video opengl“
in den *.ini-Dateien des Pakets ersetzt werden durch
„video gdi“.
Achtung: Zwischen „video“ und „opengl/gdi“ befinden sich jeweils genau 21 Leerzeichen.
Die Bedienungsanleitungen für die meisten Schachcomputer sind hier zu finden. Erwähnenswert ist auch das Schachcomputer.info – Wiki, insbesondere die dortige Wiki-Elo-Liste mit Links auf die betreffenden Schachcomputer.
YouTube-Videos
Großmeister Daniel King hat unter PowerPlayChess nicht nur die oben erwähnten Partien zwischen Stockfish und AlphaZero kommentiert, sondern auch unzählige, meist englischsprachige, zum Teil aber auch deutschsprachige Videos mit Partiekommentierungen ins Netz gestellt.
Großmeister Niclas Huschenbeth bietet unter anderem 48 Videos mit sehr instruktiven deutschen Kommentierungen von Amateurpartien unter der Bezeichnung „Videocoaching“ und daneben viele weitere Partiekommentierungen von Großmeisterpartien in deutscher und englischer Sprache an. Ist erwähnenswert, auch wenn es sich dabei nicht um Computerschachpartien handelt.
Es ist aber immer ratsam, solche Videos mit einer gleichzeitig die Stellungen analysierenden Engine zu verfolgen und das Video zu pausieren, während man die Varianten in der GUI nachspielt bzw. überprüft.
Diverse Programme
Chess Hero:
Es werden zufällig gewählte Stellungen aus PGN-Dateien geladen und der Anwender hat den seiner Meinung nach besten Zug zu finden. Eine Schachengine zeigt daraufhin den von ihr präferierten Zug, den Partiezug und die Bewertungsdifferenz.
Chess Position Trainer:
Ideal zum Training von Eröffnungen. Der Erwerb der Vollversion zum Preis von 39,60 € sollte in Erwägung gezogen werden.
Chess-DOS-Virtual-Machine auf der Webseite von Franz Huber unter dem Link „DOS-Chess“ – Wiederbelebung folgender DOS-Schachprogramme unter Windows:
Fritz 3.06
Genius 5.0
Gideon 1.0
Hiarcs 7.1
MChess 8
Rebel 12.0
Rex 2.3
Socrates 3.0
WChess 1.05
Zarkov 3.04.
Chessboard Capture Program:
Es kann – mit ein wenig Unterstützung des Anwenders – Schachdiagramme vom Bildschirm (sogar von digitalisierten Büchern) einlesen und eine FEN, also eine Beschreibung aller Figurenpositionen im Diagramm, kreieren, die man dann in der Schach-GUI zur Herstellung der Partiestellung per Strg-V verwenden kann.